Gedicht – Das Häslein

Gedicht – Das Häslein

Unterm Schirme, tief im Tann,
Hab ich heut gelegen,
Durch die Zweige rann
Reicher Sommerregen.

Plötzlich rauscht das nasse Gras
Stille! Nicht gemuckt!
Mir zur Seite duckt
Sich ein junger Has …

Dummes Häschen,
Bist du blind?
Hat dein Näschen
Keinen Wind?

Doch das Häschen, unbewegt,
Nutzt, was ihm beschieden,
Ohren weit zurückgelegt,
Miene schlau zufrieden.

Ohne Atem lieg ich fast,
Laß die Mücken sitzen
Still besieht mein kleiner Gast
Meine Stiefelspitzen …

Um uns beide – tropf – tropf – tropf –
Traut eintönig Rauschen
Auf dem Schirmdach – klopf – klopf – klopf …
Und wir lauschen, lauschen …

Wunderwürzig kommt ein Duft
Durch den Wald geflogen
Häschen schnuppert in der Luft,
Fühlt sich fortgezogen.

Schiebt gemächlich seitwärts, macht
Männchen aller Ecken …
Herzlich hab ich aufgelacht –
Ei der wilde Schrecken!

( Christian Morgenstern 1871-1914)

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